Die Ursache für Morbus Parkinson ist noch nicht geklärt, doch wahrscheinlich spielen sowohl genetische als auch umweltbedingte Faktoren eine Rolle. In einer großen Anzahl Studien zu Risiko- bzw. Schutzfaktoren finden sich nur wenige Ergebnisse, die konsistent sind. Dazu gehört der positive Einfluss von Kaffee [1].
Parkinson kommt bei etwa einem Prozent der über 60-Jährigen in Deutschland vor. Verantwortlich für die Erkrankung ist die Veränderung einer bestimmten Kernregion im Gehirn, der sogenannten Substantia nigra, in der die Zellen bei Betroffenen beschleunigt absterben. Dadurch kommt es zu einem Mangel an Dopamin, was letztlich zu einem Verlust der Muskelkontrolle und den damit verbundenen motorischen Begleiterscheinungen führt. Mit fortschreitender Erkrankung treten häufig auch kognitive Defizite und Demenzen auf.
Epidemiologische Studien: Koffein senkt Parkinson-Risiko
Seit Jahren haben verschiedene Studien eine inverse Assoziation zwischen dem Konsum von Kaffee bzw. Koffein und der Wahrscheinlichkeit, an Parkinson zu erkranken, nahegelegt. Doch die Ergebnisse waren inkonsistent. Im Jahr 2010 unterzogen daher portugiesische Forscher die bisherigen Ergebnisse einer umfangreichen Metaanalyse, die 26 Untersuchungen zum Koffeinkonsum und Häufigkeit des Auftretens von Parkinson einbezog. Im Ergebnis zeigte sich klar eine dosisabhängige Reduktion des relativen Krankheitsrisikos durch den Genuss von Koffein [2].
Dies wurde 2012 in einer große Kohortenstudie bestätigt. Dabei konnte zudem belegt werden, dass beide Geschlechter vom Koffeinkonsum profitierten. Allerdings war der Effekt bei Frauen nicht ganz so stark ausgeprägt wie bei Männern, vor allem dann, wenn eine Hormonersatztherapie angewendet wurde [3]. In einem Review, das ein Jahr später erschien, fanden die Forscher ebenfalls eine Risikoreduktion durch Koffein. Sie war bei beiden Geschlechtern gleich stark [4]. Interessant ist, dass immer wieder festgestellt wird: Der positive Effekt von Kaffee/Koffein ist dosisabhängig. Der maximale Nutzen zeigte sich in einer Dose-Response-Metaanalyse aus dem Jahr 2014 in Bezug auf Kaffee bei einem Genuss von drei Tassen pro Tag [5].
Hemmt Koffein die Bildung schädlicher Aggregate?
Es ist mittlerweile Konsens, dass Koffein und nicht ein anderer Inhaltsstoff des Kaffees für diesen Schutzeffekt verantwortlich ist. Darauf weisen auch die Ergebnisse präklinischer Studien hin, in denen auch andere A2A-Antagonisten als Koffein die Entwicklung einer Störung des physiologischen Bewegungsablaufes (Dyskinesien) reduzieren können [6]. Wie genau Koffein und verwandte Substanzen ihre neuroprotektive Wirkung entfalten, war jedoch bisher unklar.
2015 konnten Wissenschaftler eines internationalen Forschungsteams den schützenden Effekt von Koffein auf Nervenzellen genauer beschreiben [7]. Besonders charakteristisch für die Parkinsonkrankheit ist die pathologische Ansammlung von Aggregaten des alpha-Synuklein-Proteins (alpha-Synuklein) in Nervenzellen im Gehirn. Diese als Lewy-Körperchen bezeichneten Ablagerungen gehen aus kleineren Vorstufen, den alpha-Synuklein-Oligomeren, hervor, die stark toxisch auf Nervenzellen wirken. Lewy-Körperchen finden sich in Dopamin-produzierenden Nervenzellen jener Gehirnregion, die für motorische Fähigkeiten zuständig ist, sowie in Hirnregionen, die mit dem Erinnerungsvermögen in Verbindung stehen. Daher wird ein Zusammenhang zwischen der Aggregat-Bildung und den in späteren Krankheitsstadien häufiger auftretenden kognitiven Defiziten bzw. Demenzen bei an Parkinson Erkrankten vermutet.
Die Wissenschaftler untersuchten die Adenosin-A2A-Rezeptor-abhängige Wirkung von Koffein auf die durch alpha-Synuklein verursachte Aggregatbildung und Toxizität in Versuchen an Mäusen und Ratten. Koffein konnte zwar nicht die Bildung der alpha-Synuklein-Oligomere verhindern, wohl aber deren „Verklebung“. Die Ergebnisse zeigten, dass Koffein die Sterblichkeitsrate von Nervenzellen, die einer großen Mengen an alpha-Synuklein ausgesetzt waren, deutlich herabsetzte.
Koffein in der Therapie
Einige Ergebnisse klinischer Untersuchungen zur Behandlung mit Koffein liegen bereits vor. So verabreichten kanadische Forscher in einer im Jahr 2011 durchgeführten Pilotstudie Parkinsonpatienten eine aufsteigende Dosis Koffein [8]. Bei 400 mg pro Tag konnten sie Verbesserungen bezüglich motorischer Symptome und der Tagesmüdigkeit (Somnolenz) feststellen. In einer randomisierten placebokontrollierten Studie wurden 61 Parkinsonpatienten sechs Wochen lang mit unterschiedlichen Dosen Koffein oder Placebo behandelt. Das Ergebnis: Motorische Symptome konnten positiv beeinflusst werden, Somnolenz hingegen nicht [9].
2016 untersuchten italienische Forscher den Einfluss von Koffein in einer Kohortenstudie. Teilnehmer waren Patienten mit neu diagnostiziertem Morbus Parkinson. Im vierjährigen Follow-up zeigte sich, dass die Progression motorischer und nicht-motorischer Behinderungen unter Koffeineinfluss geringer ausfiel [10]. Koffein bzw. koffeinähnliche Substanzen könnten also durchaus als adjuvantes Therapeutikum dienen – allerdings muss der Effekt noch in randomisierten klinischen Untersuchungen geprüft werden [11].
FAZIT
Die bis dato vorliegenden Ergebnisse ermutigen zu der Annahme, dass der Konsum von Kaffee bzw. Koffein einen gewissen Schutz vor Morbus Parkinson bietet. Bis zu einer abschließenden Beurteilung des Einflusses von Kaffee bzw. Koffein auf die neurodegenerative Erkrankung sind weitere wissenschaftliche Untersuchungen notwendig.
- Wirdefeldt, K. et al. European Journal of Epidemiology, 26, Suppl. 1:S158, 2011.
- Costa, J. et al. J Alzheimers Dis, 20 Suppl 1: 221–238, 2010.
- Palacios, N. et al. Movement Disorders, 27,1276–82, 2012.
- Liu, R. et al. Am J Epidemio, 175(11):1200–7, 2012.
- Qi, H. & Li, S. Geriatr Gerontol Int, 14(2):430–9, 2014.
- Morelli, M. & Simola, N. Experimental Neurology, 225, 246–249, 2010.
- Ferreira, D.G. et al. Cereb Cortex, pii:bhv268, 2015.
- Altman, R. D. et al. Movement Disorders, 26,2427–31, 2011.
- Postuma, R. B. et al. Neurology, 79,428–34, 2012.
- Moccia, M. et al. Parkinsonism Relat Disord, 32:116–119, 2016.
- Roshan, M.H. et al. Open Neurol J, 26,10:42–58, 2016.