Wirkungen

Inhaltsstoffe
Psyche & Körper
Kaffee & Krankheitsbilder

Schwangerschaft & Stillzeit

Viele Schwangere fragen sich, ob der Genuss von Kaffee einen negativen Einfluss auf das ungeborene Kind haben könnte. Dabei geht es in erster Linie um das im Kaffee enthaltene Koffein, denn es kann ebenso wie Alkohol die Plazenta-Schranke ungehindert passieren. Da beim Embryo – wie auch beim Säugling – die Leber noch nicht voll entwickelt ist, benötigt der Körper zum Abbau des Koffeins deutlich mehr Zeit als bei erwachsenen Menschen.

Frühgeburtsrisiko

Es gibt Hinweise darauf, dass beim Konsum großer Mengen Koffeins während der Schwangerschaft das Frühgeburtsrisiko ansteigt [z. B. 1]. Eindeutig ist die Studienlage allerdings nicht. Eine Metaanalyse von 15 Kohorten und sieben Fall-Kontroll-Studien aus dem Jahr 2010 fand beispielsweise keine Assoziation zwischen dem Kaffeegenuss während der Schwangerschaft und dem Frühgeburtsrisiko [2]. Auch eine 2013 in Norwegen erschienene Studie mit fast 60.000 Teilnehmerinnen zeigte, dass Schwangere, die Kaffee tranken, kein erhöhtes Risiko für Frühgeburten oder eine kürzere Gestationsdauer hatten [3].

Fehlgeburtsrisiko

Ein erhöhtes Risiko für Fehlgeburten sowohl durch Koffein als auch durch Kaffee fanden chinesische Forscher in einer im Jahr 2015 veröffentlichten Metaanalyse [4]. Eine weitere Studie aus demselben Jahr zeigte, dass der Konsum koffeinhaltiger Getränke während der frühen Schwangerschaft mit einem geringfügig erhöhten Risiko für Spontanaborte verbunden sein könnte [5]. Der Zusammenhang war allerdings nicht linear. Italienischen Forschern zufolge könnte es eine Assoziation zwischen dem Risiko für scheinbar grundlose wiederholte Fehlgeburten und einem Koffeinkonsum während des Zeitraums der Empfängnis und der frühen Gestation geben [6]. Deshalb halten sie es für „weise“, die Koffeinaufnahme in der Zeit um die Empfängnis herum und der frühen Schwangerschaft zu reduzieren. Zu einem anderen Schluss kam eine frühere Studie, in der nach einem möglichen Zusammenhang zwischen der perikonzeptionalen Einnahme hoher Koffeindosen (als Bestandteil von Medikamenten) und spontanen Aborten gesucht wurde [7]. Das Ergebnis: Die in der Studie durchschnittlich eingenommenen Koffeindosen (sie entsprachen etwa sechs Tassen Kaffee) haben das Risiko für klinisch registrierte Spontanaborte nicht erhöht.

Amerikanische Forscher wiesen in einem Review auf einen möglichen Grund für den in einigen Studien gefundenen Zusammenhang zwischen Koffeinkonsum und Spontanaborten hin [8]: Es könne sich hier auch um ein Epiphänomen handeln. Eine Übelkeit zu Beginn der Schwangerschaft ist ein Zeichen einer gesunden Schwangerschaft mit erfolgreicher Einnistung des Embryos in die Gebärmutter. Gleichzeitig führt diese Übelkeit oft zu einer Reduzierung des Kaffeekonsums. So könnten fälschlicherweise Zusammenhänge gesehen werden zwischen geringem Koffeinkonsum und positiv verlaufender Schwangerschaft.  Im Gegensatz dazu bleibt eine Übelkeit bei Schwangerschaften mit Spontanaborten oft aus und der Koffeinkonsum wird nicht gesenkt. Betrachtet man also nur den gleichbleibend hohen Koffeinkonsum könnte hier ein falscher Zusammenhang hergestellt werden.

Die amerikanische Fachgesellschaft der Gynäkologen gab bereits im Jahr 2010 eine Stellungnahme ab, die fünf Jahre später nochmals bestätigt wurde: „Eine moderate Koffeinaufnahme (weniger als 200 mg pro Tag) scheint kein bedeutender Zusatzfaktor für das Risiko einer Fehl- oder Frühgeburt zu sein“. Ob Koffein das Wachstum des Fötus beeinflusst, könne allerdings noch nicht endgültig beurteilt werden [9].

Geburtsgewicht / fötales Wachstum

In dem bereits erwähnten amerikanischen Review wurde zwar ein Zusammenhang zwischen Kaffee/Koffeinkonsum und einem geringen Geburtsgewicht gefunden, er war aber umso schwächer ausgeprägt, je größer die Stichprobe der jeweiligen Studie war und je besser die Analyse in den Studien ausgeführt wurde [8]. Acht Jahre später, im Jahr 2010, erschien ein Update dieser Studie [10]. Die Studienlage in Bezug auf einen negativen Effekt von Koffein auf das fötale Wachstum und das Geburtsgewicht blieb zweideutig, so die Autoren. In der Hälfte der Studien wurde von einem schwachen Zusammenhang berichtet, in der anderen Hälfte derStudien nicht. Die Stärke der Evidenz für einen potenziellen Einfluss auf das fötale Wachstum sei dadurch reduziert, dass es in den Studien nicht möglich gewesen war, alternative Erklärungen für den beobachteten Zusammenhang auszuschließen, wie beispielsweise schwangerschaftstypische Abneigungen.

In einem Cochrane-Review konnten malaysische Forscher keinen Effekt auf das Geburtsgewicht oder die Gestationslänge durch eine Reduktion der Koffeinaufnahme nachweisen [11].

Eine polnische Studie aus dem Jahr 2011 hatte zum Ziel, den Koffeinkonsum Schwangerer abzuschätzen und den Einfluss auf Schwangerschaftsdauer, Geburtsgewicht und Apgar-Score zu überprüfen [12]. Die Daten von mehr als 500 Schwangerschaften bzw. Neugeborenen flossen in die Studie ein. Die Auswertung ergab: 98,4 Prozent der Schwangeren konsumierten nicht mehr als 300 mg Koffein pro Tag. Und: Es fand sich kein Zusammenhang zwischen dem Koffeinkonsum und dem Risiko einer Frühgeburt, dem Geburtsgewicht oder einem schlechten Apgar-Score. Die Forscher kamen zu dem Schluss: Eine Koffeinaufnahme von nicht mehr als 300 mg pro Tag beeinflusst weder die Schwangerschaftsdauer noch das Wohlbefinden des Neugeborenen.

In dieselbe Richtung wies eine portugiesische Studie, welche die Auswirkung von Kaffeegenuss u. a. auf das fötale Wachstum untersuchte [13]. Die Studienautoren konnten darin keinen Einfluss des Kaffeekonsums feststellen.
Zwei neuere Studien hingegen legten nahe, dass zumindest ein hoher Koffeinkonsum mit einem niedrigeren Geburtsgewicht assoziiert sein könnte [14, 15].

Einfluss auf die Entwicklung /  Fehlbildungen

Auch hier ist die Studienlage unübersichtlich. In Versuchen mit frühen Hühnchenembryonen
wollten Forscher eine mögliche koffeininduzierte Teratogenität auf die Entwicklung des Nervensystems untersuchen [16]. Sie fanden heraus, dass die Koffeinexposition möglicherweise zu einer fehlerhaften Schließung des Neuralrohres führen könnte. Eine neuere Metaanalyse hingegen widerspricht diesen Ergebnissen, zumindest was Kaffee betrifft: Die Forscher konnten keinen Zusammenhang zwischen dem Kaffeegenuss in der Schwangerschaft und Neuralrohrdefekten
finden [17].

In einer Fall-Kontroll-Studie mit Daten aus der National Birth Defects Prevention Study (NBDPS) wurde die mütterliche Koffeinzufuhr mit dem Vorkommen angeborener Extremitäten-Deformationen verglichen [18]. Die Forscher fanden dosisunabhängig ein schwach erhöhtes Risiko für angeborene Extremitäten-Deformationen durch den Koffeinkonsum in der Schwangerschaft. In einer Studie mit Ratten wurde der Einfl uss von mütterlicher Koffeinaufnahme auf die funktionelle Entwicklung des fötalen Hippocampus und die Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse (HPA) untersucht [19]. Die HPA-Achse wird bei Stress aktiviert, was schließlich zu einer Cortisolausschüttung führt. Die Ergebnisse zeigten: Die Koffeinaufnahme erhöhte den Glucocorticoid-Spiegel sowohl der Mutter als auch des Fötus. Sie hemmte – möglicherweise als Folge dessen – die Entwicklung der fötalen HPA-Achse.

Empfehlungen

Um die genannten Studienergebnisse sicher beurteilen zu können, werden noch viele weitere Forschungsarbeiten benötigt. Doch es gibt bereits eine Empfehlung. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) kam in einem aufwendigen, im Mai 2015 veröffentlichten Gutachten zur Sicherheitsbewertung von Koffein zu folgendem Schluss [20]:

Eine über den gesamten Tag verteilte Koffein-Aufnahme aus allen Quellen von bis zu 200 mg pro Tag ist für den Fötus unbedenklich.“ Das heißt, dass von einem Genuss von etwa zwei Tassen Kaffee zu je etwa 150 ml während der Schwangerschaft keine negativen Wirkungen zu erwarten sind.

Bei den empfohlenen Aufnahmemengen für Schwangere muss bedacht werden, dass Koffein auch in Tee, Kakao und manchen Softdrinks enthalten ist. Frauen, die ganz sichergehen oder mehr als die empfohlene Menge Kaffee trinken wollen, können entkoffeinierten Kaffee trinken. Darüber hinaus sollten werdende Mütter bedenken, dass sich die Halbwertszeit des Koffeins im Körper während der Schwangerschaft erhöht. Sie liegt normalerweise bei durchschnittlich 4 Stunden, bei Schwangeren steigt sie auf bis zu 15 Stunden. Der aufmunternde Effekt kann dadurch länger anhalten.

Stillzeit

Da Koffein in die Muttermilch übergeht, sollten Stillende koffeinhaltige Getränke wie Kaffee nur in Maßen genießen. Bislang ist man sich allerdings noch nicht einig darüber, wie viel Koffein über die Muttermilch letztlich beim Kind ankommt. In einer brasilianischen Studie untersuchten Forscher den Einfl uss von Kaffeegenuss stillender Mütter auf das Schlafverhalten ihres drei Monate alten Nachwuchses [21].

Dabei stellte sich heraus, dass ein bis zwei Tassen Kaffee pro Tag keine Schlafstörungen bei Säuglingen hervorriefen. So zogen die Autoren den Schluss, dass der Koffeingenuss Stillender keinen Einfluss auf das Schlafverhalten der Säuglinge hat. Frauen, die einen möglichen Einfluss des Koffeins auf den Säugling dennoch mindern möchten, sollten ihre Tasse Kaffee direkt nach dem Stillen genießen. Denn dies verlängert den Zeitabstand zwischen Koffeinaufnahme und dem erneuten Stillen, was die Koffeinmenge in der Brustmilch reduzieren könnte [ 22]. Die EFSA empfiehlt Stillenden dasselbe wie Schwangeren: Der Konsum von bis zu 200 mg Koffein am Tag ist unbedenklich [20].

FAZIT

Um die genannten Studienergebnisse sicher beurteilen zu können, werden noch viele weitere Forschungsarbeiten benötigt. Nach bisherigen Erkenntnissen ist der Konsum von bis zu 200 mg Koffein am Tag sowohl während der Schwangerschaft als auch in der Stillzeit unbedenklich.

  1. Okubo, H. et al. Nutr Res, 35(4),309–316, 2015.
  2. Maslova, E. et al. Am J Clin Nutr, 92(5):1120–32, 2010.
  3. Sengpiel, V. et al. BMC Medicine,11:42, 2013.
  4. Li, J. et al. Int J Gynaecol Obstet, 130(2):116–22, 2015.
  5. Hahn, K.H. et al. Hum Reprod, 30(5):1246–55, 2015.
  6. Stefanidou, E.M. et al. Europ J Obstetrics Gynecol Reprod Biol, 158,220-224, 2011.
  7. Howards, P.P. et al. PloS One, 7(11):e50372, 2012.
  8. Leviton, A. & Cowan, L. Food Chem Toxicol, 40(9):1271–310, 2002.
  9. The American College of Obstetricians and Gynecologists, Committee Opinion: Moderate Caffeine Consumption During Pregnancy, Number 462, August 2010, reaffi rmed 2015. Abgerufen am 22.11.2016 unter www.acog.org
  10. Peck, J.D. et al.Food Chem Toxicol, 48(10):2549–76, 2010.
  11. Jahanfar, S. & Sharifah, H. Cochrane Database of Sys Reviews, 15;(2):CD006965, 2009.
  12. Jarosz, M. et al. Europ J Obstetrics & Gynecol Reprod Biol, 160,156–160, 2012.
  13. Conde, A. et al. Acta Med Port Mar-Apr, 24,241–248, 2011.
  14. Chen, L. W. et al. BMC Med, 19;12:174, 2014.
  15. Rhee, J. et al. PLoS One, 20;10(7):e0132334, 2015.
  16. Ma, Z.L. et al. PLoS One, 7(3):e34278, 2012.
  17. Li, Z.X. et al. Fetal Pediatr Pathol, 35(1):1–9, 2016.
  18. Chen, L. et al. Birth Defects Research Part A Clin Mol Teratol,94(12):1033–43, 2012.
  19. Xu, D. et al. PLoS One, 7(9):e44497, 2012.
  20. Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA), Meldung vom 27. Mai 2015: EFSA erklärt Risikobewertung: Koffein; abrufbar unter  www.efsa.europa.eu/de/corporate/pub/efsaexplainscaffeine150527.htm
  21. Santos, I.S. et al. Pediatrics, 129:860–8, 2012.
  22. Calvaresi, V. et al. J Anal Toxicol, 40(6):473–7, 2016.