Da Kaffee bzw. Koffein erwiesenermaßen die Wachheit fördert, legt dies im Umkehrschluss nahe, dass der Konsum von Koffein den Schlaf stören könnte. Ganz so einfach ist es aber nicht.
Wirkung individuell unterschiedlich
Doch dass dieser Zusammenhang nicht nur eine Vermutung ist, zeigte eine Studie aus dem Jahr 2012 [1]. In einem Schlaflabor beobachteten Züricher Forscher Versuchspersonen, die 40 Stunden lang künstlich wachgehalten wurden. Während dieser Zeit mussten die Probanden alle drei Stunden einen einfachen Reaktionstest machen, bei dem – als Maß für ihre Wachheit – ihre Reaktionsgeschwindigkeit gemessen wurde. Die Gruppe der Versuchspersonen, die zwischendurch Koffeinpillen erhalten hatten, blieb durchschnittlich wacher als die Gruppe, die nur ein Placebo erhalten hatte. Allerdings profitierten nicht alle Probanden von der stimulierenden Wirkung, vielmehr gab es individuelle Unterschiede. Schließlich durften die Probanden wieder schlafen und wurden auch dabei von den Forschern beobachtet. Bei jenen Probanden, bei denen das Koffein während der Schlafdeprivation nicht
wachmachend wirkte, hatte es auch auf den Schlaf keinerlei Effekt. Im EEG der anderen Probanden konnte man jedoch erkennen, dass das Koffein die Einschlafzeit verlängerte. Und es wirkte sich auch auf den Schlaf aus, so war der Tiefschlafanteil in der Nacht geringer, und die Probanden wachten häufiger auf.
Die Studie beleuchtet damit auch die schon in früheren Untersuchungen gewonnene Erkenntnis, dass die Wirkung von Koffein auf den Schlaf längst nicht jeden betrifft, sondern individuell sehr unterschiedlich sein kann [2, 3, 4, 5]. Heute weiß man, dass diese Unterschiede in den Genen liegen. Zwillings-Analysen zeigten, dass bei Menschen mit bestimmten Variationen im Adenosin-A2A-Rezeptor-Gen Koffein den Schlaf stören kann [6].
Verlängerte Einschlafzeit und herabgesetzte Schlafeffizienz
Die Wirkungen von Kaffee bzw. Koffein auf den Schlaf nahmen Wissenschaftler in einem im Jahr 2016 erschienenen Review nochmals genauer unter die Lupe [7]. Dafür wurden sowohl epidemiologische Studien als auch randomisierte Interventionsstudien herangezogen. Es zeigte sich, dass Koffein die Einschlafzeit verlängerte und die Schlafdauer und -effizienz herabsetzte. Tiefschlafphasen waren reduziert, während Wachheit und Erregung zunahmen. Insgesamt wurde aber auch hier wieder deutlich, dass es ausgeprägte individuelle Unterschiede in der Reaktion auf das Koffein gibt.
Einflussfaktoren
Dabei spielt das Alter sicherlich eine Rolle. Der Schlaf wird ab dem mittleren Lebensalter insgesamt sensibler, er erwies sich in Studien bei älteren Menschen daher als störanfälliger durch Koffein als der von jüngeren Menschen [7, 8]. Auf der anderen Seite können sehr junge Konsumenten durch Koffein, z. B. aus Softdrinks, im Schlaf gestört werden [9].
Auch der Zeitpunkt der Koffeinaufnahme spielt eine Rolle: So fanden Wissenschaftler heraus, dass abendlicher Koffeinkonsum den circadianen Melatonin-Rhythmus verschieben kann [10]. Als circadiane Rhythmik bezeichnet man die Fähigkeit eines Organismus, physiologische Vorgänge auf eine Zeitspanne von etwa 24 Stunden zu synchronisieren (endogene Rhythmen). Der wichtigste circadiane Rhythmus ist der Schlaf-Wach-Rhythmus. Melatonin vermittelt die Information „dunkel“ und damit den Zeitpunkt und die Länge der Nacht als ein hormonelles Signal an den Organismus. Koffein kann das Enzym N-Acetyltransferase blockieren, das für die Produktion von Melatonin verantwortlich ist. Wird dadurch die Melatonin-Sekretion verschoben, kann das den Schlaf stören.
Die genetische Ausstattung, das Lebensalter und der Zeitpunkt des Koffeinkonsums nehmen also Einfluss auf die Art, wie sich Koffein auf den Schlaf auswirkt. Doch auch die Toleranzentwicklung spielt eine Rolle: Gewohnheitsmäßige Kaffeetrinker berichten seltener über Schlafbeeinträchtigungen als Menschen, die nur ab und zu Kaffee trinken [11].
FAZIT
Der Konsum von Kaffee bzw. Koffein kann sich bei einigen Menschen negativ auf den Schlaf auswirken. Die Wirkung ist abhängig von der individuellen genetischen Ausstattung, dem Lebensalter, dem Zeitpunkt des Koffeinkonsums und der Konsumgewohnheit.
- Bodenmann, S. et al. Br J Pharmacol,165(6):1904–13, 2012.
- Zwyghuizen-Doorenbos, A. et al. Psychopharmacology, 100,36–39, 1990.
- Hicks, R.A. et al. Bulletin of the Psychonomic Society, 21,24–25, 1983.
- Landolt, H.P. et al. Brain Research, 675,67–74, 1995.
- Levy, M. & Zylber-Katz, E. Clinic Pharmacol Therapeutics, 33,770-775, 1983.
- Byrne, E.M. et al. Sleep,1;35(7):967–75, 2012.
- Clark, I. & Landolt, H.P. Sleep Med Rev, pii:S1087–0792(16)00015–0, 2016.
- Robillard, R. et al. Journal of Psychopharmacology, 1–10, 2015.
- Lodato, F. et al. Nutr Res, 33(9):726–32, 2013.
- Burke, T.M. et al. Sci Transl. Med, 7,305ra146, 2015.
- Snyder, S.H. & Sklar, P. J of Psychiatric Research, 18,91–106, 1984.